Victor Anton Franz von Prendel, Stadtkommandant von Leipzig zwischen dem 21. Oktober 1813 und dem 10. November 1814 sowie zwischen 15. Juni und November 1815, Straßenkommandant 1816 bis 1818 von Sachsen-Altenburg und Kommandant aller deutschen Lazarette der kaiserlich-russischen Armee.
bearbeitet von Bernd Baumbach in Zusammenhang mit der Herausgabe der Zinnfiguren-Sonderserie: „Obrist Victor von Prendel, Stadtkommandant von Leipzig“ anlässlich des 200. Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig 1813.
Überarbeitet von Martin Fiedler, Chef der Ordenskanzlei des Kommandant-Prendel-Ordens.
Victor Anton Franz von Prendel wurde 1766 in Solurn in Tirol als Sohn eines nicht reichen, aber alten adeligen Geschlechts geboren. Er wuchs in einer rauen alpenländischen und ländlichen Umgebung auf und soll für sein Alter ungewöhnlich gewandt gewesen sein, von kräftiger Konstitution und mit starkem Willen. Er begleitete seinen Vater oft auf die Jagd. Mit zwölf Jahren soll ein Bär seinen Weg gequert haben, den er kaltblütig niederstreckte und blutbeschmiert nach Hause schleppte, was seine Mutter naturgemäß entsetzte. Obwohl Prendel als Lieblingssohn seiner Mutter galt, war er aber von den damals üblichen körperlichen Züchtigungen nicht ausgeschlossen.
Um seine Bildung zu fördern, schickten ihn seine Eltern in das Kollegium des Benediktiner-Ordens nahe seiner Heimatstadt. Damit er sich auch außerhalb der Klostermauern bewegen durfte, war Prendel gehalten, sein tägliches Pensum zu erlernen, obwohl dies nicht unbedingt in seinem Sinne war. Er widmete sich daher den Wissenschaften und Sprachen, um sich durch seinen Eifer einen gewissen Freiraum zu erkaufen. Die Padres erkannten Prendels Fähigkeiten und förderten ihn in Hinblick auf eine spätere Missionarstätigkeit beim gründlichen Erlernen der lateinischen, französischen, deutschen, italienischen und ungarischen Sprache, der Geschichte und Geographie und natürlich auch der Theologie. Später sollte Prendel noch die russische, polnische und englische Sprache gut beherrschen. Mit fünfzehn Jahren wurde Prendel das Leben im Kloster unerträglich. Besonders die Theologie, die Klosterdisziplin und Erziehungsmethoden mit der Peitsche erregten seinen Widerwillen. Er verließ 1781 das Kloster und ging zu Fuß nach Trient zu einem Verwandten seines Vaters, der sein Verhalten verstand. Durch die Vermittlung seines Onkels, erteilte sein Vater Prendel schließlich die Erlaubnis die geistliche Laufbahn zu verlassen. Bald darauf reiste er nach Venedig weiter und fand Aufnahme in das Haus eines mit der Familie bekannten Bankiers. Durch sein Wissen und seine umgängliche Art erwarb Prendel rasch das Vertrauen seines Vorgesetzten und ging mit dem Sohn des Bankiers als Freund und Helfer auf Reisen durch Europa. Nach seiner Rückkehr wurden ihm die Hand der Tochter und die Teilhaberschaft angeboten, die er jedoch ausschlug. Sein Ziel war eine ungebundene militärische Laufbahn.
Prendel trat 1788 dem österreichischen Heer bei und ließ sich als Gemeiner bei den Lobkowitz-Chevaulegers einstellen. Dass er bereits vorher nach abgelegtem Examen den Tiroler Scharfschützen beitrat ist jedoch nicht belegt. Als Offizier wurde Prendel später in das Ulanen-Regiment Liechtenstein und anschließend in das Husaren-Regiment Schwarzenberg versetzt und nahm an den Rhein-Feldzügen während der Koalitionskriege teil. Während einer Streifwache soll er schwer am Kopf verwundet und von den Franzosen gefangengenommen worden sein. In der Haft in Paris und Lyon soll Prendel Zeuge von Massenexekutionen mit der Guillotine gewesen sein. Durch einen Zufall gelang Prendel die Flucht. Diese Erlebnisse sollen in Prendel eine tiefe Abscheu gegen die Französische Republik hervorgerufen haben. So berichtete es später sein Sohn Alexander.
Um 1799 während eines Einsatzes als Husaren-Rittmeister auf dem italienischen Kriegsschauplatz, erregte Prendel die Aufmerksamkeit des kommandierenden russischen Generals Suwarow (Österreich war seinerzeit mit dem Russischen Zarenreich verbündet). Prendel selbst lernte im Gegenzug die Kosaken und deren Kampfesweise – auch für den „kleinen Krieg“ – kennen und machte Pläne, selbst als Partisan tätig zu werden. Außerdem stellte er die Leistungen der russischen Soldaten bei intelligenter Führung weit über die der Österreicher. Am 18. Oktober 1804 quittierte der österreichische Husaren-Rittmeister von Prendel seinen Dienst und trat als Stabskapitän (Kapitän ohne Kompanie als Stellvertreter eines Stabsoffiziers) in das Tschernigower Dragoner-Regiment der Kaiserlich-Russischen Armee ein. 1805 wurde er zunächst dem russischen Armeeoberbefehlshaber Kutusow zur Verwendung besonderer Aufträge beigegeben. Wie allgemein bekannt, waren die Kosaken damals nur auf den Zaren vereidigt und nicht auf Russland. Um eine sichere Bindung zu gewährleisten, war es noch Anfang des 19. Jahrhunderts üblich geeignete Dragoner- oder Husaren-Offiziere den Kosaken-Atamanen zur militärischen Unterstützung zur Seite zu stellen.
Bereits während der Schlacht bei Austerlitz am 2. Dezember 1805, wirkte Prendel mit 100 Husaren und 150 Kosaken im Rücken der Franzosen als Partisan. Dabei nahm er viele Gefangene und vernichtete die Bagagewagen von neun Generalen sowie den Train von sieben Infanterie- und Kavallerieregimentern des Feindes. Für dieses Bravourstück wurde Prendel mit dem St. Wladimir-Orden und der Beförderung zum ordentlichen Kapitän (Kommandanten einer Kompanie) belohnt.
1806 wurde Prendel unter General Melissino an der türkischen Grenze eingesetzt, 1807 aber bereits ins russischen Hauptquartier am Narew weiterversetzt, um schließlich bis zum Tilsiter Frieden von 1807 in das neutrale österreichische Galizien abkommandiert zu werden. Nach dem Abschluss des Tilsiter Friedens war Prendel mit besonderem Auftrag im Herzogtum Warschau unterwegs, wo er während seines viermonatigen Aufenthaltes 1.500 russischen Gefangenen, die sich im erzwungenen Dienste des polnischen Herzogtums befanden (Russen aus ursprünglich polnischen Gebieten der Teilung Polens zwischen Preußen, Russland und Österreich; seit 1807 als Herzogtum Warschau in Personalunion mit dem Königreich Sachsen verbunden), die Rückkehr ins Vaterland ermöglichte.
1808 wurde Prendel Adjutant beim Divisionsgeneral Loewis und 1809 beim Fürsten Galizyn, der das russische Hilfskorps in Österreich kommandierte. Da zu diesem Zeitpunkt zwischen Frankreich und Russland Friede herrschte, hatte Prendel die Möglichkeit auf französischer Seite den Schlachten bei Regensburg, Aspern und Deutsch-Wagram als Vertreter Russlands beizuwohnen.
1810 stand Prendel für vier Monate in Wien zur Verfügung des russischen Gesandten Graf Schuwalow. Im selben Jahr wurde er zum Major mit Versetzung in das Charkower Dragoner-Regiment befördert, verbunden mit der Ernennung zum Adjutanten des Generals Dochturow. Ebenfalls 1810 wurde Prendel als Adjutant des Generals Chanikow an den sächsischen Hof nach Dresden beordert, um von dort aus Frankreich, Italien, Holland und die deutschen Länder des Rheinbundes zu bereisen. Von diesen Reisen kehrte Prendel erst nach dem Einmarsch der Großen Armee nach Russland im August 1812 zurück. In der Folge nahm er u. a. an der Schlacht bei Smolensk und den Rückzugsgefechten teil.
Unter dem General Wintzingerode und später des russischen Oberbefehlshabers Kutusow kommandierte Prendel bis zur Vertreibung der Feinde Partisanen-Detachements. Am 12. September 1812 erfolgte die Beförderung Prendels zum Oberstleutnant mit Verwendung in verschiedenen Ämtern des russischen Heeres im Westen.
Wiederum unter dem Kommando des Generals Wintzingerode focht Prendel am 13. Februar 1813 bei Kalisch in Polen gegen die Reste des VII. (sächsischen) Korps und französische sowie polnische Resteinheiten und wurde für seine Leistungen zum Obristen befördert. Mit seinen Kosaken und Jägern verfolgte Prendel die „wüsten Scharen“ sächsischer Truppen in Schlesien und nahm viele von ihnen gefangen. Prendels Streifkorps fungierte somit als Kosakenvortrab der regulären russischen Armee und bestand aus irregulären Kosaken und Baschkiren, die noch mit Pfeil und Bogen bewaffnet waren und alle als „sehr heruntergekommen“ bezeichnet wurden. Im Februar 1813 überschritt Prendel mit 350 Kosaken die Oder und marschierte durch Sachsen und bemächtigte sich des Feldlazarettes des sächsischen VII. Korps inklusive 400 Pferde. Nachdem Prendels Trupp am 25. März die Elbe überschritt, besetzten seine Kosaken das von Napoleon geräumte Dresden. Trotz der Nähe großer Feindverbände, detachierte Prendel einen Trupp seiner Kosaken, um die nach Böhmen reisende Großfürstin Helena Pawlowna zu geleiten. Am 29. März ernannte man Prendel zum Militärkommandant in Dresden. Bereits kurz danach stand er jedoch schon wieder im Feld. Vor der Schlacht bei Lützen/Großgörschen (2. Mai 1813) attackierte Prendel mit zwei Kosakenregimentern mehrfach die Truppen des Vizekönigs von Italien im Mannsfeldischen Kreis.
In der Schlacht bei Bautzen am 20./21. Mai operierte er erneut im Rücken des Gegners. Nach dem am 17. August abgelaufenen Waffenstillstand war Prendel im Anschluss an Bernadottes Nordarmee unterwegs. Während der Schlachten bei Großbeeren (23. August) sowie bei Dennewitz (6. September) fiel Prendel mit seinen Detachements ebenfalls in den Rücken des Feindes und nahm zahlreiche Gefangene. Bei Aken durchschwamm er mit zwei Kosakenregimentern abermals die Elbe und warf die gegnerischen Truppen aus ihrer Position. Für seine neuerlichen Leistungen erhielt Prendel den Nordischen Schwertorden 2. Klasse des Kronprinzen von Schweden. Den schwedischen Truppen folgte er daraufhin bis Leipzig. Während der großen Völkerschlacht vom 16. bis 18. Oktober 1813 beobachtete Prendel die Straßen von den Festungen Wittenberg und Torgau und verhinderte die Zuführung von französischen Verstärkungen. Dabei entzog er sich immer wieder mit List und Geschick den Versuchen der Franzosen seiner habhaft zu werden.
Seit der Ablösung Preußens (Hardenberg) als Verwalter Sachsens am 20. Oktober 1813 und der Übernahme Sachsens durch die Russen (Gouverneur Fürst Repnin), wurde Prendel am 21. Oktober von Zar Alexander I. zum Stadtkommandanten von Leipzig ernannt. Er amtierte fortan in einem Gebäude neben der Waage am Markt. Für seine vorbildliche Behandlung aller Verwundeten und sein Wirken für die Stadt und deren Bewohner erhielt Prendel in der Folge den preußischen Roten Adler-Orden, das Kommandeurskreuz der französischen Ehrenlegion (für die gute Behandlung der französischen Verwundeten und Gefangenen), das sächsische Kommandeurskreuz für Zivilverdienste (für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in Leipzig), das bayerische Kommandeurskreuz pour le mérite (ebenfalls für die gute Behandlung der Verwundeten und Kranken), den weimarischen Falken-Orden sowie die Diplome der Bürgerrechte der Städte Leipzig und Altenburg. Bereits am Tage seiner Ernennung zum Stadtkommandanten bemühte sich Prendel auch um die Gemeinden des Leipziger Landes, indem er Schutz- und Sicherheitsbriefe für Personen und (Kirch-) Gemeinden ausstellte. Den Wunsch zur Stellung von Sauvegarden konnte er nicht nachkommen, sorgte aber für Nachsendung allen Militärs zur Armee nach Westen. Damit wurde das Herumstreifen einzelner versprengter Trupps eingeschränkt, was bald darauf gänzlich aufhörte. Prendel blieb bis Ende 1814 im Amt, wurde zunächst vom preußischen Generalmajor von Bismarck ersetzt, übernahm aber zwischen Juni und November 1815 erneut die Stadtkommandantur.
1816 bis 1818 war er Kommandant der Militärstraßen von Altenburg und Direktor aller deutschen Lazarette der Kaiserlich-Russischen Armee. In diesen Funktionen organisierte Prendel auch die Rückführung der russischen Truppen.
1819 kehrte Prendel nach Russland zum Kiewer Dragoner-Regiment zurück. Im Januar 1820 wurde er für besondere Aufgaben ins Hauptquartier der 1. Armee in Kiew unter dessen Oberkommandierenden Graf von der Osten-Sacken berufen. Nach verschiedenen Aufträgen in Galizien wurde Prendel 1831 zum Generalmajor befördert.
Im Juli 1835 nahm Prendel mit voller Pension seines Gehaltes seinen Abschied. Er verfasste anschließend seine Memoiren, für welche ihm eine hohe Summe seitens eines deutschen historischen Vereins angeboten wurde. Prendel lehnte ab mit den Worten: „Mein Leben und dessen Ergebnisse gehören meinen Kaisern und Wohltätern und dem gastfreundlichen Russland, meinem Vaterlande, wo ich lebe und wo ich sterben werde.“ Zeitlebens führte Prendel ein diszipliniertes Leben. Die häufigen Reisen, oft inkognito und in Verkleidung, entwickelten bei ihm eigentümliche Gewohnheiten und Talente: Er schrieb mit Leichtigkeit eine schöne leserliche Handschrift, aber war auch in der Lage diese schnell zu verändern. Er formulierte klar mit einem bestimmten persönlichen Stil. Selbst konnte er alle fremden Handschriften entziffern und erfasste Briefe wie im Fluge. Er erzählte mit besonderer Routine und besaß alle Feinheiten eines schlauen Diplomaten. Er beharrte auf ein gegebenes Wort und bewahrte alle ihm anvertrauten Geheimnisse. Schnell nahm Prendel die Eigentümlichkeiten europäischer Nationalitäten an, die er mit seinen Sprachkenntnissen und seinem Äußeren (insbesondere seinen langen Schnurrbart, der seinerzeit als der längste seiner Art galt) kombinierte.
Außergewöhnlich war auch seine Ernährung: Morgens Tee, keine warmen Speisen, nur Fleisch und Obst, kaum Spirituosen. Er war niemals krank und im Alter nur taub.
Victor Anton Franz von Prendel verstarb am 29. Oktober 1852 in Kiew.
Inhalt des Gesamttextes: nicht verlagsgebundene örtliche Publikation 1988 in Leipzig als Nachdruck: Leipziger Tageblatt 28, 29, 30, 07.1859
Quelle: Leimbach, Carl: Victor von Prendel – Oberst und Kommandant von Leipzig nach der Völkerschlacht 1813-1814. Dieterich`sche Verlagsbuchhandlung Theodor Weicher. Leipzig 1913